Vorbeugung ( = Prävention) und Prophylaxe durch das professionelle Team:
Mit gezielter Prophylaxe und Parodontaltherapie, ist es heute möglich, dem ehemals an Gingivitis oder Parodontitis erkrankten Patienten wieder ein großes Stück Lebensqualität zu geben.
Ich darf Ihnen am Beispiel eines an einer mittelschweren Parodontose (= Erwachsenenparodontitis) erkrankten Erwachsenen, den typischen Ablauf eines solchen Hygieneprogrammes schildern. Laut wissenschaftlichen Zahlen haben 90 % der bundesdeutschen Bevölkerung eine nicht erkannte und nicht behandelte Parodontitis, obwohl sie regelmäßig untersucht worden sind ! Patientencheckbogen Mundgesundheit zum Download
Im Rahmen des "Full-Mouth-Therapy"-Konzeptes, kommt der neue Patient nach entsprechender Aufklärung in der Eingangsuntersuchungssitzung bei mir, in eine zweistündige, erste Hygienesitzung, in der sich die geschulte Fachkraft mit seiner erkrankten Mundsituation vertraut macht.
Wir sehen unsere Aufgabe und Verpflichtung dem Patienten gegenüber darin, ihm offen und ehrlich mögliche Defizite in seiner bisherigen Reinigungstechnik des Mundes aufzuzeigen. Das hat nichts mit Kritik von oben zu tun, sondern basiert auf dem wissenschaftlichen Nachweis, daß die beste professionelle Behandlung in der zahnärztlichen Praxis, ohne einen aufgeklärten und motivierten Patienten scheitern wird.
Wir haben über viele tausend Prophylaxesitzungen an motivierten Patienten, die Erfahrung gemacht, daß sie häufigst in ihrem Leben noch nie über eine auf ihre individuelle Mundsituation abgestimmte Mundhygiene unterrichtet worden waren. Viele von uns putzen eben so, wie sie es sich selbst beigebracht haben. Stellen Sie sich vor, wir wären nie zur Schule gegangen ?
Moderne Prophylaxekonzepte brauchen den motivierten Patienten, für die langfristige Erhaltung der Mundgesundheit !
Auf der Basis der gründlichen Untersuchung erklärt dann die Hygienikerin dem Patienten die Entstehungsgeschichte der Parodontitis, welche in seinem Mund zu den feststellbaren Krankheitsbefunden geführt hat:
> Blutung des Zahnfleisches bei Berührung
> anhaftender Belag aus Biofilm-Bakterien auf Zahnoberflächen, Zunge, Schleimhaut
> "fauliger" Geruch aus den massivst infizierten Zahnfleischtaschen (Parodontosebakterien machen Schwefelverbindungen)
> evtl. schon bewegliche oder lockere Zähne ?
> evtl. bereits erkennbarer Knochen- und Zahnfleischrückgang, mit "länger" gewordenen Zähnen ?
Nach der speziellen Mundsituation des Patienten (z.B. gekippte, gedrehte, schräge Zähne; Brücken, Nischen etc) sucht die Fachkraft dann für ihn die passenden Mundhygienehilfsmittel aus, und zeigt ihm den korrekten Gebrauch, sowohl am Kiefermodell, als auch in seinem Mund.
Dann trainiert die Hygienikerin zusammen mit dem Patienten den schonenden und richtigen Gebrauch der Mundhygienehilfsmittel.
Im Anschluss daran erfolgt die gründlichste Beseitigung des kompletten, erreichbaren Biofilms aus Bakterien, der auf den Zahnoberflächen z.T. hartnäckig anhaften kann. Hierzu setzen wir sehr vorsichtig sog. Air- und Handscaler ein, um auf keinen Fall die Zahnhartsubstanz aufzurauhen oder zu beschädigen.
Wir haben über die zurückliegenden Jahre den instrumentellen Schwerpunkt der Belagentfernung auf das Polieren der Glattflächen, mit immer feineren Pasten gelegt. Auf glatten, möglichst hundertprozentig gereinigten Flächen haften die Bakterien schlechter.
Nach der kompletten Reinigung und Politur aller Zähne, wobei die Instrumente stetig desinifziert werden, um eine Keimübertragung innerhalb des Mundes zu verringern, erfolgt noch eine gründliche Desinfektion aller gesäuberten Taschen, der Schleimhaut, der Zunge und des Rachens.
Die Wissenschaft hat die letzten Jahre gezeigt, daß die die Parodontitis auslösenden Keime im kompletten Mundraum verteilt sind, und wenn man bestimmte Nischen, und Bereiche, in denen sie sich eingenistet haben, auslassen würde, es innerhalb von 24 Stunden zu einer Neubesiedelung der gereinigten Abstände kommen würde.
Es ist auch wissenschaftlich bewiesen, daß diese übertragbaren Bakterien bereits in der Kleinkindphase, von z.B. der parodontal erkrankten Mutter, bei Benützung des Löffels beim Füttern des Kleinkindes, auf dieses übertragen werden.
Kinder aus parodontal erkrankten Familien haben mit höherer Wahrscheinlichkeit, ebenfalls später eine Parodontitis.
Sehr ernst zu nehmen, ist auch die Fernwirkung dieser bösen (= pathogenen) Keime über die Blutbahn des parodontal erkrankten Patienten. So ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß Parodontitispatienten ein höheres Schlaganfall-, Artheriossklerose- und Herzinfarktrisiko haben. Parodontal erkrankte Schwangere haben mehr Frühgeburten.
Gerade wegen der vielfältigen Auswirkungen dieser Parodontalbakterien, sehen wir als vorbeugend orientiertes Prophylaxeteam, in der Prophylaxe eine sehr ernste, ethische Verpflichtung gegenüber unseren Patienten.
Bedauerlicherweise hatte 2004 die damalige Bundesgesundheitsministerin Fr. Schmid, den ohnehin schon bescheidenen Leistungskatalog der gesetzlichen Sozialversicherung, im Bereich der Vorbeugung dramatisch gekürzt, weswegen hier der gesetzlich Versicherte mit entsprechenden Eigenanteilen an diesen professionellen Behandlungen rechnen muß.
Nach gründlicher Desinfektion mit speziellen Präparaten, werden dann noch die gereinigten Zahnhartsubstanzflächen professionell mit einem Fluorschutzlack touchiert.
Der Patient erhält dann am Ende dieser zweistündigen Intensivhygienesitzung ein individuell für ihn zusammengestelltes "Starterpaket" an Mundhygienehilfsmitteln, so daß er bereits am gleichen Abend zuhause in der Lage ist, das neue Wissen um die richtige Mundhygiene motiviert umzusetzen.
Je nach Ausmaß und Schwere der anfänglich festgestellten Erkrankung, folgen dann weitere, darauf abgestimmte Intensivhygienesitzungen. Es geht im Rahmen dieser "Full-Mouth-Therapie" auch um die Unterstützung des ehemals mit der Menge der Bakterien überforderten Immunsystems.
Umfangreiche Forschungen haben gezeigt, daß erst über mehrere Sitzungen, in denen immer wieder sich neu bildender Biofilm entfernt und gründlichst der komplette Mundraum desinfiziert wurde, ein völlig gesundes Zahnfleisch und darunter liegender, entzündungsfreier Stützknochen zu erzielen.
In der 2. bzw. 3.Intensivhygienesitzung erfolgt dann auch eine nun mögliche, exakte Zahnfleischtaschenmessung, und Weiterverarbeitung dieser gewonnenen Befunde, in einem entsprechenden, professionellen Computerprogramm.
Durch zu unterschiedlichen Behandlungszeitpunkten gemachte gründliche Zahnfleischtaschenmessungen, kann sehr gut der Heilungsverlauf festgehalten und bildhaft dargestellt werden.
Hat es eine sehr ausgeprägte Parodontitis, kommt es bei dem Patienten im z.B. vierten Hygienetermin, zu der Reinigung der unter Zahnfleischniveau liegenden sog. Zahnfleischtaschen. Hierzu ist eine leichte lokale Betäubung notwendig, um diese Sitzung - wie die bisherigen auch - für den Patienten angenehm zu gestalten.
Nun werden gründlichst in allen tiefen Abschnitten um die Zähne herum, die Wurzeloberflächen von dem eventuell noch anhaften Gemisch aus Bakterien gereinigt, geglättet und desinfiziert.
Parallel und im Anschluss kommt es immer in diesen Hygienesitzungen, zur Desinfektion mittels spezieller Präparate.
Als Abschluss der nun deutlichst erkennbar positiv ablaufenden Parodontitistherapie, folgt ca eine Woche nach der geschlossenen, tiefen Taschenbehandlung eine abschliessende Politur- und Reinigungssitzung.
Der allergrößte Teil der ehemals an Gingivitits und Parodontitis erkrankten Patienten, ist im Rahmen dieses klar strukturierten, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Hygienekonzeptes gesund zu bekommen.
Für den Patienten resultiert neben einem frischen, sauberen Mund, einem straffen Zahnfleisch auch eine Festigung evtl. schon gelockerter Zähne. Durch die massive Verringerung der gefährlichen Keime, ist das erneute Risiko wieder an einer Parodontitis zu erkranken, für den motivierten und in professionellem Recall befindlichen Patienten sehr gering.
Es ist bei nach erfolgreichem Abschluss und Beseitigung der entzündlichen Zahnfleischerkrankung von entscheidender Bedeutung, den Patienten in ein nach seiner individuellen Notwendigkeit (Ausgangszustand, Schwere der ehemaligen
Erkrankung, Risikoneigung erneut parodontal zu erkranken) abgestimmte, regelmäßige Nachsorge mit professioneller Zahnreinigung und Desinfektion, sowie zahnärztlicher Kontrolle aufzunehmen.
Es ist, und das ist nicht nur eine Beobachtung die wir in den zurückliegenden 26 Jahren bei unserem Patientenklientel gemacht haben, heute möglich, jedem Patienten, der auch häuslich, motiviert seine Mundhygiene betreibt, ein Leben lang seine Zähne und den Knochen zu erhalten !
Bei einigen wenigen Patienten, welche mit einer sehr ausgeprägten, bis hin zu extremen Parodontitis zu uns kommen, kann es nach dem anfänglichen Hygieneprogramm (z.B. mit 6 Sitzungen) nach ca 6 Wochen notwendig sein, nochmals eine kritische Untersuchung aller Zahnfleischabschnitte und -taschen zu machen.
Zeigen sich hier noch vielleicht 1 - 2 behandlungsresistente, tiefe Zahnfleischtaschen, kann es unter Umständen notwendig werden, im Rahmen eines kleinen, operativen Eingriffes unter vergrößernder Sicht (Operationsmikroskop) die Wurzeloberflächen zu reinigen und zu desinfizieren.
Es gibt, je nach der dreidimensionalen Verlauf und der Art des Knochendefektes um die Zahnwurzeln herum, schon seit Jahren auch die Möglichkeit, die Knochenneubildung über spezielle Präparate (Emdogain) und Knochenersatzmaterialien zu unterstützen.
Damit kann der Verlust von bereits deutlich von Knochenrückgang betroffenen Zähnen, gebremst bzw. gestoppt werden. Auch hier gilt es fachlich kritisch, die individuelle Mundsituation zu prüfen und dann mit dem betroffenen Patienten über therapeutische Möglichkeiten, Prognosen und Kosten zu sprechen.
Wenn Sie weiterführend Fragen zu dem Bereich der Zahnfleisch- und Mundgesundheit haben, stehen ich oder meine prophylaxefachkräfte gerne für Auskünfte zur Verfügung !
Behandlungsspektrum Dr. Wolfgang Gänsler und Prophylaxeteam